Haskala Nr.1:
"Gedenken" - Die Schoa im jüdischen
Religionsunterricht
Zum Titel "Haskala"
Im
Neuhebräischen kann das deutsche
Wort für Bildung mit Haskala
wiedergegeben werden. Den heutigen
hebräischen Bildungsbegriff findet
man ansatzweise schon im
Tanach, der Hebräischen Bibel, wo die
dort vorkommende Wortwurzel s.k.l.
mit "einsichtig; vernünftig sein" übersetzt
werden kann.
Die jüdische Tradition
betont durch die Jahrhunderte hinweg
die von Gott gegebenen Anlagen,
welche bei der Schöpfung mitgegeben - den Menschen zu einem vernunftbegabten
Wesen machen. Die Aufgabe
des Menschen ist es, in seinem
Leben auf Erden seine von Gott gegebene
Vernunft zu fördern; das Mittel
dazu ist das Studium der Torah.
Der deutsche Bildungsbegriff
stammt hingegen von der Wortbedeutung
"Bild / Abbild" (imago), aber auch
"Gestalt" (forma) und "Gestaltung"
(formatio) ab. In der Neuzeit wurde
schließlich das Wort Bildung nicht nur
auf die äußere Gestalt, sondern auch
auf die inneren Werte des Menschen
bezogen. Im 18. Jahrhundert wurde der
Begriff Bildung meist synonym mit
Erziehung verwendet. Letztendlich
unterscheidet man die Bedeutung von
"Erziehung" und "Bildung" jedoch
dadurch, dass "Erziehung" die Hinführung
eines Menschen durch seine Lehrer,
Eltern bzw. allgemein durch die
ältere Generation zu einem bestimmten
Verhalten ausdrückt. "Bildung" hingegen
fördert den Verstand und hat zur
Folge, dass der gebildete Mensch sein
Verhalten selbst reflektiert und aufgrund
seiner Mündigkeit handelt.
Eine Annäherung des jüdischen an
das deutsche Bildungsideal fand insofern
in der Epoche der Aufklärung statt,
als dass Mitte des 18. Jahrhunderts einige
deutsche Juden Ansätze "jüdischen
Denkens" in der Zielsetzung der deutschen
Aufklärer sahen, wenn diese
davon sprachen, dass sie die Verbesserung
der menschlichen Vernunft fördern
wollten.
Schließlich wird das Wort Haskala
bei den jüdischen Aufklärern (Maskilim)
unter dem Einfluss der deutschen
Aufklärung zum allgemeinen Begriff
für das angeeignete "Wissen" und das
Gelernte, das den Menschen zu einem
Gebildeten (Maskil) macht.
Auch dieses Heft hat das Ziel,
Wissen zu vermitteln und Vernunft
zu fördern.
"Haskala" will aufklären und zur
Bildung beitragen. Einerseits präsentiert
es an die jüdischen Gemeinden
gerichtet aktuelle Berichte zur jüdischen
Bildung, andererseits will es auch
der nichtjüdischen Umwelt jüdisches
Denken und Leben in Deutschland verständlich
machen. Gerade für Lehrende
in Bildungseinrichtungen, wie Schulen
und andere Institutionen, die Jugendlichen
Wissen übers Judentum vermitteln
möchten, aber auch für Eltern
jüdische wie nichtjüdische! soll dieses
Heft sein.
Dieses und die folgenden
Hefte "Haskala" sollen Themenhefte
über Unterricht und
für den Unterricht sein.
Anknüpfend an jeweils ein
bestimmtes Thema sollen Unterrichtsabläufe
im Jüdischen Religionsunterricht
beschrieben werden, Meinungen
der Schüler durch eigene verfasste
Texte nach außen getragen und Probleme,
die mit dem Thema zusammenhängen,
aufgeführt werden.
Die Schülerbeiträge, die im
Zusammenhang mit einer Unterrichtsreihe
dargebracht werden, sollen die
Dynamik und Abhängigkeit vieler einzelner
Einflüsse und Erfahrungen aufzeigen,
die auf die Jugendlichen in
Deutschland einwirken. Hier spielen
die Gemeinde mit ihren Institutionen,
wie dem Jugendzentrum oder Religionsunterricht,
eine Rolle, aber auch
Elternhaus, Freunde und Lehrer wie
auch die Situation und Haltung zu
bestimmten Themen innerhalb der
deutschen Gesellschaft. Eltern, Gemeinde
und Schule bilden zusammen
ein Wechselspiel, das auf den jungen
Menschen einwirkt und sein Denken
und seine Persönlichkeit bildet.
Dies darf man jedoch nicht als einseitige
Manipulation auffassen, sondern
das Kind oder der Jugendliche eignet
sich aktiv, durch Interaktionen, seine
soziale und materielle Umwelt an. (Vgl.
zur Pädagogischen Soziologie z.B. K.
Hurrelmann).
Statt "sittliche Assimilation" soll
"geistige Erziehung" im Mittelpunkt
stehen, die der eigentliche Gegenstand
von Bildung ist (Willmann 1909).
Der Akt der Reflektion, das Überdenken
des eigenen Verhaltens kann
u.a. dann geschehen, wenn Einblicke in
andere Perspektiven ermöglicht werden.
Dies soll in diesem Heft z.B. durch
Schüleraufsätze erfolgen. Aber auch
durch Ihre Beiträge in folgenden Heften,
kann "Haskala" zu einem Forum
werden, in dem durch andere Erfahrungen
und Fragen zu den behandelten
Themen weitere Perspektiven aufzeigt
werden. Leserbriefe und Anfragen sind
somit herzlich willkommen und würden
diese Heftreihe zu einem Medium des
Austauschs für pädagogische Fragen zu
jüdischen Themen machen.
Kontakt:
haskala_bildung@yahoo.de
hagalil.com / 2004-01-08 |