Haskala Nr.1:
"Gedenken" - Die Schoa im jüdischen
Religionsunterricht
Projekte im jüdischen Religionsunterricht:
Themenbeispiele zum Jom haSchoah
Nurith Schönfeld-Amar
Unterthemen der verschiedenen
Altersstufen waren z.B.: Kiddusch
Haschem, die Bedeutung und Traditionen
von Grab- und Friedhofsbesuchen
im Judentum oder die Edelweißpiraten
von Köln.
Kiddusch Haschem kann im Deutschen
mit "Märtyrertum" oder "Aufopferung
für Gott" übersetzt werden.
Schüler der Oberstufe trugen zusammen,
wie Juden auch in den KZs versuchten,
ihre Religion weiterhin zu
praktizieren, obwohl die Umstände es
eigentlich unmöglich machten, weil die
Nazis religiöse Handlungen sofort mit
dem Tod bestraften.
Die Schüler stellten Fragen wie:
Zündeten die Häftlinge Kerzen zu den
Feiertagen? Konnten biblische Gebote,
wie nicht lügen oder stehlen eingehalten
werden? Oder nahmen viele lieber
ihren Tod hin, als gegen eines der Gebote
zu verstoßen?
Es gibt zu diesen Fragen Berichte
Überlebender. Die Jugendlichen trugen
einige dieser Zeitzeugenberichte vor, in
denen auch deutlich wurde, wie neben
vielen, die in der Hölle der Konzentrationslager
ihren Glauben an Gott verloren,
auch viele durch den Glauben an
Gott Halt und Stärke fanden.4
Eine 6. Klasse beschäftigte sich mit
der Bedeutung und den Traditionen
von Grab- und Friedhofsbesuchen im
Judentum.5
Dieses Thema hatte insofern einen
aktuellen Anlass bei den Schülern und
Schülerinnen, da vor dieser Unterrichtseinheit
eine Schülerin berichtete, dass
die Mutter einer Freundin zuvor gestorben
war und eine andere Schülerin
erzählte, das ihre Oma gestorben wäre.
Beide wussten nicht, wie sie sich nun
verhalten sollten. Die Auseinandersetzung
mit dem Tod und die Erfahrung,
dass ein geliebter Mensch gestorben ist,
war für alle neu. Die Jugendlichen stellten
vor allem die Frage, wie man der
Toten gedenke, und insbesondere wie
lange sie um Menschen, die sie lieb
gehabt hatten, trauern müssten. Das
schlechte Gewissen, womöglich nicht
genug an die Verstorbenen zu denken,
spielt dabei eine große Rolle. Um bei
den Jugendlichen Vorwürfe zu vermeiden,
ist das ritualisierte Trauern ihrer
Religion eine große Hilfe, da es Wege
des Ausdrucks bereitstellt.
Ganz wichtig ist im Judentum, dass
man Tote nicht verehrt und ständig ihr
Grab besucht. Deshalb pflanzt man im
Judentum z.B. keine Blumen auf das
Grab, damit dies nicht dazu führt, dass
man sich gezwungen sieht, das Grab
häufig zu besuchen, um die Blumen zu
gießen. Im Judentum legt man bei den
seltenen Friedhofsbesuchen stattdessen
einen Stein auf das Grab, der auch noch
beim nächsten Besuch da ist und jeden
Besuch dokumentiert. Man gedenkt der
Toten zu bestimmten Feiertagen und
spricht Gebete zur Jahrzeit, zum alljährlichen
Sterbetag.
Die Schülerinnen und Schüler fertigten
für die bevorstehende gemeinsame
Gedenkveranstaltung spezielle
Gedenksteine aus Speckstein an, die sie
mit jüdischen Symbolen versahen. In
diesem Zusammenhang wurde auch
über die Bedeutung von Symbolen
gesprochen und passende für die Steine
ausgewählt. Bei der Gedenkveranstaltung
legten die Schüler ihre Steine dann
neben eine Wand, die andere Schüler
wiederum mit den Namen von ermordeten
Kindern beschriftet hatten. So
haben die Schüler eine Möglichkeit
gefunden, wie sie ihr Gedenken zum
Ausdruck bringen konnten.
Mit dem Thema "Die Edelweißpiraten
von Köln" haben Schüler der 8.
Klasse einerseits das Thema des nichtjüdischen
Widerstands bearbeitet,
andererseits auch Lokalgeschichte
erforscht. In eigenständiger Recherche
erstellte die Klasse Plakate, auf denen
sie über die Motive der Edelweißpiraten
berichteten sowie über ihre Erfolge,
aber auch über die Ermordung einiger
durch die Nazis. Die Plakate wurden an
Stellwänden aufgehangen und bei der
Gedenkveranstaltung den anderen
Jugendlichen vorgestellt.
Mit diesem Thema sollte u.a. auch
dem zweiten Aspekt von Jom Ha'-
Schoa Rechnung getragen werden,
nämlich dem "We'haGwura," Gedenken
der vielen, die Helden waren und
aus den verschiedensten Gründen
Leben retteten. Mit den Edelweißpiraten
wurde ein Beispiel herausgegriffen,
wo auch Jugendliche sich gegen die
Nazis gestellt haben.
So haben sich Schüler und Schülerinnen
auf unterschiedlichste Art und
Weise mit Themen zu Trauer, Gedenken,
Widerstand, Nationalsozialismus
und Judentum auseinandergesetzt, darüber
gelernt und Ausdrucksformen
gefunden, Gedenken zu praktizieren.
Über die Autorin:
Nurith Schönfeld-Amar M.A., geb. 1971 in Köln.
Studium der Judaistik und Pädagogik in Heidelberg, Ramat-Gan Israel und
Köln, sowie Studium der Vergleichenden Religions-wissenschaften an der
Universität Bonn.
1994/95 Stipendiatin des Looksteincenters für Jüdische Religionspädagogik in
der Diaspora an der Bar- Ilan Universität in Israel.
1999 Magister Artium in den Fächern Judaistik, Pädagogik und Vergleichende
Religions-wissenschaften an der Universität Köln.
Mitarbeiterin der Lehrplankommission zur Überarbeitung des Lehrplans für das
Fach Jüdische Religionslehre der Sek.II in NRW.
Seit 1999 Lehrerin für das Fach Jüdische Religionslehre der Sekundarstufe I
und II in Köln.
Kontakt:
haskala_bildung@yahoo.de
hagalil.com / 2004-01-21 |