Haskala Nr.1:
"Gedenken" - Die Schoa im jüdischen
Religionsunterricht
Einstieg in das Thema "Schoa" im Jüdischen
Religionsunterricht
Nurith Schönfeld-Amar
Die Unterrichtseinheit mit dem Thema "Schoa" begannen wir
letztes Halbjahr am Gedenktag "Jom haSchoa wehaGwura". Ein Schüler, der vor
wenigen Monaten aus Israel nach Köln gezogen ist, bekam den Arbeitsauftrag,
sich vorzubereiten und an diesem Tag zu erzählen, wie man diesen Gedenktag
in den Schulen in Israel begeht. Alle
wichtigen hebräischen Begriffe, die seiner
Meinung nach mit diesem Tag
untrennbar verbunden sind, sollte er
auflisten und seinen Mitschülern erklären
und beibringen.
Es war sehr beeindruckend wie
Jonathan diese Aufgabe löste! Der
Unterricht begann, alle redeten durcheinander,
denn gerade nachmittags zu
den Zentralkursen treffen sich Jugendliche
aus verschiedenen Schulen Kölns
und haben erst einmal das große
Bedürfnis, Neuigkeiten auszutauschen.
Somit verzögert sieh der Beginn des
Unterrichts oftmals, bis auch der Letzte
aufhört laut zu lachen.
Jonathan stoppte
die anfängliche Unruhe und begann mit
einer Gedenkminute, zu der er alle bat
aufzustehen. Nach dieser Minute war
die Atmosphäre im Raum eine gänzlich
andere. Er teilte eine Liste mit Begriffen
aus, die er zusammengestellt hatte.
Alle diese Schlüsselbegriffe waren den
Schülern im Deutschen geläufig, jedoch
im Hebräischen größtenteils unbekannt.
Jom haSchoah vehaGwurah
Beim letzten Begriff brach dann
eine große Diskussion aus: "Entschädigung".
Jemand meinte, dass es nach
außen, also mit Blick auf Nichtjuden,
nicht gut sei, wenn die Juden immer
Geld forderten. Andere fragten sich, ob
Geld den Schmerz denn aufheben
könnte, den man erlebt hätte, und verglichen
den Verlust von Verwandten mit
dem Schmerz der Angehörigen vom
Zugunglück in Eschede oder Flugzeugabstürzen,
bei denen die Hinterbliebenen
auch Geld forderten, " das wäre
eben normal. Also nicht nur Juden wollen
Geld!
Die Diskussion verlief bis zum Ende
der Stunde äußerst lebhaft, weil jeder
auch Haltungen und Ereignisse aus der
eigenen Familie erzählte. Dabei stand
im Mittelpunkt,
ob man selbst Geld als Entschädigung
für den Tod eines Verwandten
annehmen würde!?
Viele der Schüler
waren sich einig, dass das Leben eines
Menschen mit Geld nicht aufgewogen
werden kann, und sie würden für das
Leben von Verwandten kein Geld
annehmen. Aber der durch die Nazis
und oftmals durch die ehemaligen
Nachbarn entwendete Besitz wie
Möbel, Schmuck, Immobilien oder
ganze Geschäfte mit ihrem Inventar,
der sollte den Schoaüberlebenden und
ihren Familien zurückgegeben bzw.
gezahlt werden.
Auch die Zwangsarbeit die viele
Schoaüberlebende während des Krieges
wie Sklaven leisten mussten, sollte
nachträglich entlohnt werden.
Wir waren mit der Besprechung der
Vokabelliste gleich im Thema und vor
allem bei den Fragen, die in jüdischen
Familien und Gemeinden, aber auch in
Israel bis heute immer noch besprochen
und diskutiert werden.
In der ersten Ausgabe der Zeitschrift "Haskala" (01-2004) geben etliche
Beiträge und Bilder von jüdischen Schülern aus Köln deren Annäherungsversuche, Gefühle,
Meinungen und Gedanken zum Thema Schoa wieder.
Über die Autorin:
Nurith Schönfeld-Amar M.A., geb. 1971 in Köln.
Studium der Judaistik und Pädagogik in Heidelberg, Ramat-Gan Israel und
Köln, sowie Studium der Vergleichenden Religions-wissenschaften an der
Universität Bonn.
1994/95 Stipendiatin des Looksteincenters für Jüdische Religionspädagogik in
der Diaspora an der Bar- Ilan Universität in Israel.
1999 Magister Artium in den Fächern Judaistik, Pädagogik und Vergleichende
Religions-wissenschaften an der Universität Köln.
Mitarbeiterin der Lehrplankommission zur Überarbeitung des Lehrplans für das
Fach Jüdische Religionslehre der Sek.II in NRW.
Seit 1999 Lehrerin für das Fach Jüdische Religionslehre der Sekundarstufe I
und II in Köln.
hagalil.com / 2004-01-08 |