Die Zukunfts- und Ideenwerkstatt - eine
Methode, bei der alle gewinnen Unsere Welt
ist voller zur Zeit unlösbar erscheinender Probleme. Genauso schlimm wie
diese Probleme selbst ist die Tatsache, dass die meisten Menschen nicht
glauben, dass hier noch Lösungen möglich wären. "No future" ist ein Gefühl,
das keine Erfindung der Jugend ist, sondern alle Gruppen der Gesellschaft
befallen hat.
Solange es aber keine Ziele und Visionen mehr gibt, für die es sich
einzusetzen und zu leben lohnt, solange kann sich auch nichts ändern.
Menschen, die extreme Verhältnisse wie Konzentrationslager, monatelanges
Eingeschneitsein am Nordpol oder Verschüttetsein nach Erdbeben überlebt
haben, berichten immer wieder, dass es ihre Vorstellungskraft und ihre auf
die Zukunft gerichteten Gedanken gewesen seien, die ihnen Mut und Hoffnung
gegeben haben.
Ohne den Glauben an eine mögliche gewaltfreie Zukunft, ohne den Glauben
an Ziele und Projekte, die Träume wahr machen und dem Leben Sinn geben, ohne
den Glauben an die Kraft von Gedanken und Ideen kann es keine menschliche
Entwicklung geben. Die Zukunft ist keine bestimmte, feststehende
Wirklichkeit, sondern etwas, das wir hier und heute durch unsere
Entscheidungen schaffen.
Die Zukunft sind wir selbst.
In dem folgenden Kapitel sollen Menschen ermutigt werden, sich mit der
Methode der Zukunftswerkstatt vertraut zu machen, die von Norbert R. Müller
und Robert Jungk entwickelt wurde und in unterschiedlichsten Gruppen
praktiziert wird. Sie könnte ein erster Schritt auf Kolleginnen/Kollegen zu
sein, Veränderungen in Richtung auf weniger Gewalt an ihrer Schule
einzuleiten.
Wie wird eine Zukunftswerkstatt durchgeführt? Eine Zukunftswerkstatt
gliedert sich in fünf Hauptteile, die ich im folgenden beschreiben will:
Vorbereitungsphase, Kritikphase, Phantasiephase, Verwirklichungsphase,
Nachbereitungsphase. Es empfiehlt sich in jedem Fall, das entsprechende
Buch von Robert Jungk und Norbert R. Müller zu lesen oder - falls möglich -
Leiter der Zukunftswerkstätten zur Durchführung einzuladen.
(Kontakte über: Zukunftswerkst ätten
Berlin, Görlitzer Str. 37, 10997 Berlin, Tel. 030/6185464)
Vorbereitungsphase
In dieser Phase geht es darum, den Kolleginnen/Kollegen Lust auf die
Zukunftswerkstatt zu machen, den Raum zu organisieren, der groß genug für
einen Kreis und auch für zu bildende Arbeitsgruppen ist, Packpapier,
Klebeband und Filzstifte zu organisieren und die Arbeitsweise zu erklären.
Wenn die Gruppe größer als 25 Personen ist, sollten Parallelgruppen gebildet
werden. Gemeinsam mit den Teilnehmern sollte ein "Stundenplan" erarbeitet
werden, der genügend Pausen einplant. Obwohl Zukunftswerkstätten nicht
selten fünftägig durchgeführt werden, reicht auch ein einziger Studientag,
um eine Zukunftswerkstatt durchzuführen. Zeitknappheit verhindert allerdings
oft kreative Phantasie, deshalb würde ich ein Wochenende oder einen
Nachmittag und den folgenden Tag unbedingt vorziehen.
Die Zeitplanung könnte dann in etwa so aussehen: Vorbereitungs- und
Kritikphase am Nachmittag, Phantasiephase am folgenden Vormittag,
Verwirklichungsphase am späten Vormittag und Nachmittag, Nachbereitung am
späten Nachmittag. Aber selbst "Kurzwerkstätten" von einer Stunde, bei der
jede Phase 15 Minuten dauern darf, können für die Ankurbelung der Diskussion
sinnvoll sein.
Kritik- und Beschwerdephase
In dieser Phase soll jeder/jede Kritik und Beschwerde (Redezeitbegrenzung
auf 30 Sekunden!) zum Thema vortragen. Stichpunkte der einzelnen Beiträge
werden auf den Wandpapierbögen für alle sichtbar notiert. Anschließend wird
nach Beispielen gesucht, die die einzelnen Stichpunkte erläutern helfen.
Danach werden Oberbegriffe oder Themenkreise gesucht, unter die sich die
Beispiele ordnen lassen. Diese Themenkreise werden deutlich sichtbar
ausgehängt. Jetzt erhalten die Teilnehmer einen oder mehrere
Markierungspunkte, die sie an die Themen kleben dürfen, die sie am
brennendsten interessieren und die sie vordringlich lösen wollen.
Phantasiephase
Die von den Teilnehmern gewählten brennendsten Kritikpunkte werden als
Ziele positiv umformuliert. (Kritikpunkt z.B.: Vandalismus im Schulhaus -
Ziel: Wie können wir unsere Schule verschönern?)
Es folgt eine möglichst lange Phase der "Träumerei": Wie soll unsere
erwünschte Welt / Schule aussehen. Hierbei gibt es keinerlei Einschränkungen
oder Grenzen (zu wenig Geld/wer soll das leisten etc.), alle Einfälle und
Ideen - und seien sie auch noch so verrückt - werden aufgeschrieben.
Anschließend wird durch Wahl entschieden, welche utopischen Entwürfe die
meisten Teilnehmer am interessantesten finden (Markierungspunkte werden an
die Phantasiethemenkreise geklebt). Wenn genügend Zeit vorhanden ist,
sollten nun Gruppen diese am meisten interessierenden utopischen Entwürfe
mit anderen Mitteln darzustellen versuchen: z.B. szenische Darstellung: "Die
Schule von Morgen" oder ein Bild: "Schule ohne Gewalt" oder eine Skulptur
aus Teilnehmern: "Lehrer und Schüler morgen" etc.
Verwirklichungsphase
Zuerst wählen die Teilnehmer aus den Phantasievorstellungen wieder die
aus, die sie am meisten interessieren. Jetzt werden Brücken zur Wirklichkeit
geschlagen, d.h. die Teilnehmer fragen sich: Gibt es so etwas Ähnliches
schon irgendwo? Was geht ungefähr in die gleiche Richtung? Wo könnte man
Nachforschungen anstellen? Wen könnte man fragen?
Nun werden eine oder mehrere Ideen herausgegriffen und ein
Forderungskatalog aufgestellt:
- An wen müssen wir welche Forderungen richten, damit unsere Idee eine
Chance erhält?
Jetzt wird eine Forderung herausgegriffen und gefragt:
- Was wollen wir konkret tun?
- Wie wollen wir anfangen?
- Wer kann uns unterstützen?
- Wo soll das Projekt entstehen?
- Wann fangen wir an?
Es folgt ein Verwirklichungsplan mit festen Terminabsprachen, Verteilung
der Verantwortlichkeiten und Aufgaben etc.
Nachbereitungsphase
In ihr können ein Protokoll der Werkstatt erstellt und die Ergebnisse
verbreitet bzw. zusammengefasst und ggf. vervielfältigt werden. Vorschläge
zur Weiterarbeit werden gesammelt, das nächste Projekt wird vorgestellt.
(aus:
G. u. A. Preuschoff, Gewalt an Schulen. PapyRossa Verlag, Köln 1992 -
s. auch S. 349)
Ralf-Erik Posselt
Klaus Schuhmacher
Projekthandbuch:
Gewalt und Rassismus
(Sekundarstufe)
Das Buch setzt der Gewalt eine
aktive, lebendige Lebensweise entgegen. Es setzt Fakten gegen
Vorurteile, klopft Politikern auf die Finger und ermutigt, die Verhältnisse
mit- und umzugestalten. Und es zeigt Alternativen auf:
Multikulturelles Lernen, Zivilcourage, Umgehen mit Entfremdung,
Zukunfts- und Ideenwerkstatt.
Klassen: 6 - 11
Schulfächer: Politik &
Sozialkunde
Schulformen: Jugendarbeit
Sek I
Aufl. 2000
hagalil.com
09-06-2004 |