Haskala Nr.1:
"Gedenken" - Die Schoa im jüdischen
Religionsunterricht
Mit diesem Land verbunden:
Unbegreiflich
von Alexander, 9 Klasse
Im allgemeinen ist es mir während der
Unterrichtsreihe über die Schoa sehr schwer gefallen, das Thema zu
realisieren. Die Schoa hat etwas Unbegreifliches an sich, das es der
heutigen Gesellschaft bzw. denen, die diese Zeit nicht mit erlebt haben,
schwer macht, zu verstehen, was in dieser Zeit tatsächlich passiert ist.
Natürlich weiß man dank unzähliger Zeitzeugen und Dokumenten sehr viel über
diese Zeit, aber all das Wissen beruht nur auf Fakten und auf Tatsachen, die
der Mensch mit seinem rational denkenden Verstand begreifen kann. Das Leid
aber, das sich in den Psychen der Opfer abgespielt hat, ist etwas, das man
nur sehr schwer verstehen kann. Man sieht zwar, dass die Opfer dieser Zeit
sehr gelitten haben und etliche Wunden - sowohl psychisch als auch physisch
- davongetragen haben, aber was ein einzelner gedacht hat, als er zum ersten
Mal das Konzentrationslager gesehen hat, in dem er die letzten Monate oder
Tage seines Lebens verbringen würde, kann man einfach nicht realisieren.
Auch während der Lektüre von "Der Holocaust" von Wolfgang Benz, hatte ich
das Gefühl, dass all die Fakten, die sehr detailgetreu aufgelistet wurden,
spurlos an mir vorbei ziehen würden. Zwar habe ich einige für mich neue
Dinge erfahren, aber was diese Dinge für die Juden damals bedeutet haben,
durch was für ein Leid sie gehen mussten, weiß ich immer noch nicht.
Ich weiß, zu was für einer Arbeit sie gezwungen wurden, und was für
körperliche Qualen sie durchlebt haben, aber ich denke das größte Leid hat
sich in ihren Köpfen selbst abgespielt. Zu realisieren, in was für einer
Lage sie steckten und wie hilflos sie zeitweise waren, das war - so denke
ich - das schlimmste überhaupt.
In dieser
Theorie wurde ich auch im ehemaligen Gestapogefängnis in Köln bestätigt. Die
zahlreichen Abschiedsbriefe, die an die Wände der Zellen geritzt wurden,
zeugen davon, dass viele begriffen haben, dass sie nicht überleben werden.
Und was sie mit diesem Gedanken gefühlt haben, kann ich nicht verstehen, da
ich nie in der Situation war, begreifen zu müssen, dass ich in kurzer Zeit
getötet werden würde. Auch die Tatsache, dass manche Juden gezwungen wurden,
die Tötung anderer Juden "mit zu verwalten", ist ein seelisches Gräuel, wie
ich es schlimmer mir nicht vorstellen kann. Ich weiß, dass das nur
subjektive Gedanken sind und dass nicht unbedingt jeder so denkt, wie ich es
tue, aber in gewisser Weise, so denke ich, kann niemand wirklich
realisieren, was damals geschehen ist. Und diese Tatsache hat was Gutes an
sich, denn könnten wir es doch, dann würden wir genauso leiden, wie die
Menschen damals, und das würde verhindern, dass wir uns jemals mit den
Nachkommen der "Täter" dieser Zeit endgültig versöhnen könnten, was ich für
nötig halte.
Trotz all dieser Tatsachen, bin ich doch recht zufrieden mit dieser
Unterrichtsreihe, da wir die Möglichkeit hatten, unsere Gefühle zu äußern,
was für so ein Thema immer sehr wichtig ist. Auch hat der Unterricht in mir
eine gewisse "Vorfreude" auf die Besichtigung von Theresienstadt bereitet,
was hier keinesfalls als positives Gefühl verstanden werden darf, eher ist
es die Freude, mehr über die Schoa zu erfahren, obwohl ich weiß, dass ich
direkt während der Besichtigung wohl kaum eine Freude verspüren werde. Aber
ich empfinde es als meine Pflicht, sich in gewissem Maße für die Schoa zu
interessieren, da ich nur so meinen Frieden mit Deutschland schließen und
ohne negative Gefühle in diesem Land leben kann, was für mich zweifellos
sehr wichtig ist, da trotz der grauenhaften Geschichten, die sich auf diesem
Boden abgespielt haben, Deutschland mein Heimatland ist und ich hier
aufgewachsen bin. Dadurch bin ich - als deutscher Jude - für mein ganzes
Leben mit diesem Land verbunden. Brief von Leo,
1942:
Wenn du
erwachsen wirst...
Meine geliebte Hanicka, Jirinka, Gretinka und Jirka ! Heute
um 6 Uhr abends habe ich Deinen Brief vom 9. dieses Monats erhalten und um
1/2 7 wurde ich vorgeführt und es wurde mir eröffnet, daß ich um 1/2 7
morgen früh hingerichtet werde...
Sonderkommando Auschwitz:
Wir weinten tränenlos
Das war eine Gruppe von jüdischen Häftlingen,
die sich entwickelte von einer kleinen Gruppe zu einem riesigen Kommando,
das zu seiner Spitzenzeit um die 900 Personen umfasste. Diese Menschen
wurden gezwungen, die fürchterlichsten Arbeiten, die jemand auf der Welt
verrichten musste, zu erledigen...
Batja Gurfinkel, Überlebende:
"Der Schmerz
wird mit den Jahren nicht weniger, eher stärker"
Auch mehr als ein
halbes Jahrhundert nach Ende des Zweiten Weltkriegs sind die Erinnerungen
der Holocaust- Überlebenden Batia Gurfinkel kaum verblaßt. "Die zum Leben
Verurteilten sind die wahren Opfer des Holocaust. Die Toten sind schon zur
Ruhe gekommen"...
hagalil.com / 2004-01-26 |