Völkerverständigung hautnah
Die Abteilung für den internationalen Austausch der Jerusalemer
Stadtverwaltung setzt sich seit etwa 30 Jahren weltweit für Toleranz und
Verständigung ein. Die Arbeit verläuft im Stillen, denn die Aktivitäten
der Abteilung richten sich in erster Linie an Jugendliche - Menschen die
in ihren Ländern noch nicht viel zu sagen haben, denen jedoch die Zukunft
gehört, und die daher vielleicht irgendwann einmal, so die Hoffnung, den
Grossen zeigen werden wos lang geht.
Francoise Cafri, eine geborene Schweizerin, leitet heute die
verschiedenen Schüleraustauschprojekte. Sie sieht sich in dieser Rolle ein
wenig als die Rektorin einer Schule für junge Botschafter: "Wenn unsere
Jugendlichen bei ihren Gastfamilien im Ausland einen guten Eindruck
machen, wirkt sich das automatisch auf das Bild aus, welches die Menschen
dort von Israel haben."
Von Chagit Adler
Über 1000 junge Menschen, die sich normalerweise nie begegnet wären,
kommen jährlich unter der Ägide von Francoise Cafri und ihrer Abteilung
für den internationalen Austausch zusammen. Sie lernen ihnen gänzlich
fremde Sitten und Sprachen kennen, üben sich in Duldsamkeit und
Verständigung und begreifen dabei, dass man sich trotz der
unterschiedlichen Kulturen eigentlich gar nicht so fremd ist.
Das Programm in Israel bietet den Jugendlichen neben dem Einblick in
den Alltag ihrer Gastgeber, bei deren Familien, jüdisch oder arabisch, sie
untergebracht werden, und der Auseinandersetzung mit Fragen der Geschichte
und der Gegenwart im Rahmen von Seminaren, auch die Möglichkeit das Land
als Touristen kennenzulernen: Jerusalem, Tiberias, das Tote Meer etc.
alles, was zu einem Besuch im Heiligen Land gehört, sollen die Schüler zu
sehen bekommen.
Auf besonderen Wunsch der ausländischen Gruppen oder auf Grund ihrer
Zusammenstellung erfolgt aber nicht selten auch eine Veränderung des
Programms: Im nächsten Jahr soll beispielsweise eine polnisch-deutsche
Schülerdelegation nach Jerusalem kommen; im Zentrum ihres Aufenthaltes in
Jerusalem, sowie jener der israelischen Gruppe in Polen und Deutschland
wird jeweils das Thema Holocaust stehen.
Hinter den verschiedenen Austauschprojekten steht somit eine aufwändige
Organisation. In Jerusalem übernimmt sie durchwegs das fünfköpfige Team
der Stadtverwaltung unter Francoise Cafri, während es sich bei den
ausländischen Partnern immer wieder um andere Gremien handelt -
Jugendbewegungen, kirchliche Vertreter, ganze Landesbezirke etc. - die
sich für das Gelingen des bedeutungsvollen Aufenthaltes in ihren Ländern
verbürgen. Mit diesen Partnern arbeitet Cafri dann fast immer jahrelang
zusammen, denn dem ersten gemeinsamen Projekt folgen rasch und regelmäßig
weitere. "So entwickeln sich nicht nur Freundschaften zwischen den
Teilnehmern der Reisen, sondern auch zwischen ihren Organisatoren,"
erklärt sie nicht ohne Stolz.
Mit den deutschsprachigen Ländern werden, basierend auf der
geschichtlichen Entwicklung des Jugendaustauschprogramms (siehe:
Der Jugendaustausch und die europäische Einheit) die ältesten Beziehungen
unterhalten, so bestehen beispielsweise enge Kontakte zu München, Wien,
dem Tirol und Innsbruck.
Die Schweiz hat sich erst im vergangenen Jahr dieser Gruppe
angeschlossen. Als erste Schweizer Schule entsandte die Kantonsschule
Örlikon im Sommer 2001 eine Schülerdelegation nach Jerusalem. "Andauernd
habe ich versucht einen Kontakt mit meinem Geburtsland herzustellen, aber
es gelang mir einfach nicht. Ich konnte auf der Schweizer Seite niemanden
finden, der genauso wie ich an das Projekt glauben und sich dafür
einsetzen wollte." Bis die Vorsitzende der Jerusalem Foundation Schweiz,
Erika Gideon ins Spiel kam. Sie nahm sich der Idee an und setzte sie
innert kurzer Zeit in die Tat um. Auf die Schülerdelegation aus Örlikon soll im Jahr 2002 bereits
eine aus Neuchâtel folgen - das Eis scheint gebrochen.
Die Jerusalemer Stadtverwaltung nimmt sich über ihre Abteilung für den
internationalen Austausch jedoch nicht nur Schüleraustauschprojekten an:
Toleranz und Verständigung stehen im Mittelpunkt verschiedener
Veranstaltungen, die das Team unter Francoise Cafri während des Jahres
organisiert: Es finden regelmässig Seminare und Gesprächsrunden für Lehrer
und Erzieher statt, die sich mit dem Thema Duldsamkeit befassen. Das
Interesse für Treffen dieser Art ist groß und macht sich seit kurzem auch
bei jungen Menschen bemerkbar: Im vergangenen Monat diskutierten 25
Schüler des Jerusalemer Ort Gymnasiums per Videokonferenz mit 25 Schülern
einer New Yorker Mittelschule über die aktuelle Lage. Der Wunsch für das
Gespräch kam aus Amerika. Die israelischen Jugendlichen wurden gut auf die
Videokonferenz vorbereitet: "Wir lassen jede Meinung gelten, die rechtlich
vertretbar ist. Keinem der Jugendlichen schreiben wir vor, was er oder sie
zu sagen hat, ob bei einer Videokonferenz oder im Rahmen des
Austauschprojektes. Uns liegt in erster Linie daran, das Wie zu
erarbeiten und nicht das Was." Die Folgen des ungewöhnlichen
Zusammentreffens sprechen für ihren Erfolg: Die technische Verbindung über
den Atlantik hält bis heute an - die Jugendlichen sind seit der
Videokonferenz per E-Mail in Kontakt.
Es sind Freundschaften über die die Allgemeinheit nichts erfährt, die
sich aus der Arbeit Francoise Cafris und ihres Teams entwickeln.
Freundschaften, die überdauern, auch in Zeiten wie diesen: "Unsere
Kontaktstellen im Ausland haben ihre Besuche in Jerusalem auf Grund der
gegenwärtigen Lage zwar verschoben, aber niemand hat die vorgesehenen
Reisepläne abgesagt. Erst kürzlich besuchte uns ein langjähriger Freund,
ein Priester der evangelischen Kirche in Karlsruhe, dessen Gruppe dieses
Jahr mit größter Wahrscheinlichkeit nicht nach Israel kommen wird, der
sich aber zu einem Solidaritätsbesuch nach Jerusalem persönlich
verpflichtet sah. All unsere Partner verstehen, dass tiefe, jahrelange
Beziehungen immer einfach zu zerstören, jedoch nur sehr schwer wieder
aufzubauen sind."
Hintergrund:
haGalil onLine für Kinder,
Jugendliche, Erwachsene...
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