Lehrpläne entrümpeln
und Demokratie an Schulen
leben
Bundestagspräsident
Wolfgang Thierse zu Rechtsextremismus in Deutschland und Verantwortung von
Bildung und Erziehung
[Die
gesamte Rede]
Thierse unterstrich in seiner Rede über
"Rechtsextremismus in Deutschland und Verantwortung von Bildung und
Erziehung" die Bedeutung von interkultureller Erziehung und gelebter
Demokratie. Mit Nachdruck wandte er sich gegen "die Reduktion des
Menschen auf seine beiden marktgemäßen Rollen als Arbeitnehmer und als
Konsument." Thierse forderte, die aktuelle Debatte um die
Wissensgesellschaft mit der Auseinandersetzung um den Rechtsextremismus zu
verknüpfen. "Es ist wichtig, mit dem Internet umgehen zu können. Aber
ebenso wichtig ist es zu wissen, welche Rechte und Pflichten man in der
Demokratie hat und wie Toleranz und Solidarität gelebt werden", sagte er
unter dem Beifall des Auditoriums. Und: "In den Köpfen muss mehr sein
als die Fähigkeit, sich im Konkurrenzkampf durchzusetzen."
Thierse warb dafür, dass die GEW sich an
die Spitze einer Bewegung stellen möge, "die die Lehrpläne
aufrollt". Damit meinte er, den Unterrichtsstoff daraufhin zu überprüfen,
welches Sach- und Faktenwissen in einer schnellebigen Zeit mit laufenden Umbrüchen
tatsächlich in der Schule vermittelt werden müsse oder besser seinen Platz
in einer lebensbegleitenden beruflichen Bildung habe. Somit würde Freiraum
entstehen, so die Vision des Bundestagspräsidenten, um in den
Bildungseinrichtungen "die elementaren Fähigkeiten, Qualifikationen und
Verhaltensweisen einzuüben, die nötig sind, um Verantwortung zu entwickeln
und zu erfahren, wie man sich argumentativ auseinandersetzt." Thierse
sagte, es lohne sich, über die Frage zu streiten, "wie Kinder über
kulturelle Grenzen hinweg zu mündigen Bürgern werden, die in ihrer Kultur
verwurzelt und offen für andere sind." Schließlich wandte er sich
dagegen, Kinder von Migranten in den Bildungseinrichtungen nur als
"Problemfälle" einzustufen. Es gehe vielmehr darum, ihr
"kulturelles Kapital" - nämlich die natürliche Mehrsprachigkeit,
die in einer zusammenwachsenden Welt immer wichtiger werde - wahrzunehmen und
zu fördern.
Der Bundestagspräsident versprach, an
seiner Stelle alles Mögliche dafür zu tun, dass in die Debatte über
Zuwanderung und Asyl Sachlichkeit und Angstfreiheit einkehren. In
Ostdeutschland habe er beobachten können, dass rechtsextremes Gedankengut
auch deshalb auf fruchtbaren Boden falle, weil sich die Bürger dort
"demokratisches Verhalten in einer Zeit großer gesellschaftlicher und
wirtschaftlicher Umbrüche aneignen mussten". Das fördere Ängste und
Abwehr. Thierse unterstrich aber auch die Verantwortung der Politik,
"sachlich und differenziert" mit den Thema Migration umzugehen und
"nicht ihrerseits Emotionen und Vorurteile zu schüren." Er sprach
sich für ein NPD-Verbot aus, weil nur so der Partei die organisatorische
Basis zur Verbreitung rechtsextremen Gedankenguts entzogen und die Zuwendung
staatlicher Finanzmittel beendet werden könne. "Aber das ist nicht die Lösung
des Problems", unterstrich er, "Rechtsextremismus und
Fremdenfeindlichkeit sind in der Mitte der Gesellschaft angesiedelt. Es
handelt sich um ein Problem, das nicht schnell gelöst werden kann."
In der Aussprache zur Rede konfrontierten
die Delegierten Thierse mit einer Reihe von Beispielen für die strukturelle
Diskriminierung von Migranten im Alltag. Er solle sich dafür einsetzen, dass
der Staat nicht weiter die latent vorhandenen rassistischen Auffassungen in
der Gesellschaft unterstütze. In diesem Sinne verabschiedete die GEW eine
Resolution, in der sie sich auch selbst verpflichtet, die Aktion "Schule
gegen Rassismus - Schule mit Courage" zu unterstützen und auf andere
Bildungsbereiche zu übertragen.
[Die
gesamte Rede]
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